🌱 Sanfter mit sich selbst
- Thomas Laggner

- 19. Apr.
- 3 Min. Lesezeit
Wie eine personzentrierte Haltung bei Selbstkritik und Scham helfen kann
Kennen Sie das Gefühl, nie gut genug zu sein?Begleitet Sie ein innerer Kritiker, der sich bei jedem Fehler laut zu Wort meldet? Oder erleben Sie manchmal überwältigende Scham oder Selbstzweifel, obwohl Sie sich eigentlich bemühen, alles „richtig“ zu machen?
Wenn Ihnen das vertraut vorkommt, sind Sie nicht allein. Viele Menschen kämpfen mit diesen inneren Spannungen – oft unsichtbar, aber tief spürbar. Die gute Nachricht: Es gibt Wege, diesen selbstkritischen Stimmen mit mehr Mitgefühl, innerer Ruhe und Klarheit zu begegnen.
In meiner psychotherapeutischen Arbeit – personzentriert, achtsam und zugewandt – begegnet mir dieses Thema sehr häufig. Und es berührt mich jedes Mal aufs Neue, wie viel Mut es braucht, sich mit seinem eigenen Schmerz ehrlich und freundlich auseinanderzusetzen.
🧭 Selbstmitgefühl – eine Haltung, kein Rezept
In der personzentrierten Therapie nach Carl Rogers gehen wir davon aus, dass jeder Mensch ein natürliches Streben nach Wachstum, Reifung und Ganzheit in sich trägt – die sogenannte Selbstaktualisierungstendenz. Doch dieses Streben kann blockiert oder verzerrt werden – etwa durch übermäßige Selbstkritik, durch Botschaften wie „du bist nicht genug“ oder „du musst dich erst beweisen, um liebenswert zu sein“.
Wenn wir in der Kindheit oder im späteren Leben immer wieder erleben, dass unser „So-Sein“ nicht willkommen ist, entwickeln wir oft eine innere Stimme, die uns ständig beurteilt, korrigiert oder beschämt.
Der Weg zurück zur Selbstannahme beginnt mit einer Grundhaltung:
„Ich darf da sein, so wie ich bin – mit allem, was gerade da ist.“
💗 Was ist Mitgefühl – aus personzentrierter Sicht?
Mitgefühl ist in meiner therapeutischen Arbeit keine Technik, sondern eine innere Haltung:
Echtheit (Kongruenz): Ich darf ehrlich spüren, was in mir vorgeht.
Wertschätzung (bedingungsfreie positive Beachtung): Ich bin in meinem Menschsein willkommen – auch mit meinen „Fehlern“.
Einfühlung (Empathie): Ich lerne, mich selbst mitfühlend zu verstehen – nicht analysierend, sondern teilnehmend.
Diese Haltung gilt nicht nur im therapeutischen Raum – sondern darf nach und nach zu einem inneren Begleiter werden:
Eine Stimme in uns, die uns nicht antreibt oder kleinmacht, sondern uns sagt:„Ich sehe deinen Schmerz – und ich bleibe da.“
🔄 Unser inneres Erleben verstehen – mit dem 3-Systeme-Modell
Auch wenn ich personzentriert arbeite, nutze ich gerne Erklärungsmodelle, die helfen, sich selbst besser zu verstehen.
Ein hilfreiches Bild stammt aus der Compassion Focused Therapy (CFT) und beschreibt drei emotionale Grundsysteme:
Bedrohungssystem (Alarm-Modus)Reagiert auf Stress, Kritik, Scham oder alte Verletzungen.➡️ Bei vielen Menschen überaktiv – es „funkt“ ständig dazwischen.
Antriebssystem (Aktiv-Modus)Bringt uns in Bewegung, lässt uns leisten, Ziele verfolgen.➡️ Oft verbunden mit innerem Druck und Getrieben-Sein.
Beruhigungs- und Fürsorgesystem (Sicherheits-Modus)Hier entsteht Verbundenheit, Selbstannahme, Entspannung.➡️ Dieses System ist bei Menschen mit viel innerem Druck oft wenig zugänglich.
Ein zentrales Anliegen meiner Arbeit ist es, dieses dritte System zu nähren – durch empathische Resonanz, achtsame Selbstbegegnung und Übungen, die die innere Beziehung stärken.
🧰 Wie kann so eine Begleitung konkret aussehen?
In der personzentrierten Psychotherapie arbeite ich individuell und beziehungsorientiert – aber wenn es hilfreich ist, können folgende Zugänge unterstützend sein:
Achtsamkeit & PräsenzGemeinsam innehalten. Spüren, was da ist – ohne sofort zu bewerten.
Beruhigende AtmungDen Körper als Freund erleben. Mit dem Atem Kontakt zur inneren Ruhe aufnehmen.
Innere Bilder & ImaginationenEin innerer Ort der Geborgenheit. Eine Figur, die Sie begleitet und stärkt.(z. B. ein innerer Begleiter, ein schützendes Wesen, ein guter Freund)
Der innere KritikerWir nehmen seine Stimme ernst – aber geben ihm nicht das letzte Wort.Stattdessen lernen Sie, mitfühlend und klar auf diese Stimme zu antworten.
Selbstmitgefühl kultivierenEine neue, wohlwollende innere Haltung entwickeln.Eine Stimme, die sagt: „Ich bin für mich da – auch wenn es schwer ist.“
Alltag mit Mitgefühl gestaltenPausen machen. Fehler zulassen. Sich selbst Gutes tun.Nicht als Luxus – sondern als Ausdruck von Würde.
🎯 Für wen ist dieser Weg hilfreich?
Diese Form der Begleitung kann besonders unterstützend sein für Menschen, die…
unter starker Selbstkritik und innerem Druck leiden
sich oft klein, schuldig oder beschämt fühlen
mit den Folgen früher Verletzungen oder Traumatisierungen leben
in depressiven oder ängstlichen Phasen neue Wege suchen
hochsensibel sind und ihre Grenzen besser spüren möchten
Mitgefühl für andere haben – aber nicht für sich selbst
🌱 Selbstmitgefühl – ein Weg zurück zu sich selbst
Der Weg zu mehr Freundlichkeit mit sich selbst ist oft kein leichter.Gerade dann, wenn man es nie gelernt hat – oder wenn man tief verinnerlicht hat, dass man „nicht gut genug“ ist.
Aber:
Selbstmitgefühl ist keine Technik. Es ist ein Prozess – und eine Entscheidung.
Wie Paul Gilbert sagt:
„Selbstmitgefühl bedeutet nicht Schwäche – sondern Mut, sich dem eigenen Leid zu stellen.“
Ich begleite Sie gerne auf diesem Weg. Mit Respekt, Präsenz, Erfahrung – und mit einer tiefen Zuversicht in das, was in Ihnen heilen und wachsen möchte.



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